Gerne betritt der Besucher von Nah und Fern eine als historisch angekündigte Kapelle. Zumal, wenn es sich um eine barocke handelt. Die Erwartungen werden auch voll und ganz erfüllt: golden-weiße Pracht, Verzierungen und Schnörkel, gekonnte Ausmalungen und optische Spielereien, schwebender Taufengel, ein erzählender Altar, steife Kirchenbänke, Fürstenpriechen und und und…und eine Orgel. Jedenfalls sieht man auf der Zuckerbäckerempore ein paar Pfeifen. Diese stehen in einem Gehäuse einer sog. „Fabrikorgel“ aus den 1960er Jahren und tönen eher schmallippig vor sich hin, so dass bei voller Kirche (gibt es!) der Gemeindegesang lauter ist als das Gefiepse von oben. Sicherlich war man froh, dass in diesem Schmuckstück von Gotteshaus überhaupt ein Instrument steht und Freud und Leid begleitet. Aber die Diskrepanz zwischen Optik und Akustik kann leider nicht größer sein.
Beim ersten Stechinellitag im Jahre 2015 entstand eine erste Ahnung davon, wie es sein könnte, wenn eine andere Orgel in der Kapelle stünde: im beteiligten Orchester spielte eine kleine Truhenorgel mit und begeisterte klanglich. Eine Idee wurde geboren. Und wie das so ist, man muss nur lange genug über eine Sache nachdenken, dann wird ein Projekt immer vernünftiger...aus der Truhenorgel wurde eine kleine „richtige“ Orgel, die einen neuen Standplatz gleich links neben der Eingangstür bekommen soll. Man machte sich auf einen Weg, von dem man aus Erfahrung wusste, dass er steinig werden würde, denn bauliche Veränderungen/Ergänzungen an und in einem historischen Gebäude vornehmen zu wollen, bedarf vieler Genehmigungen.
Da es sich um ein Musikinstrument handelt, wurde zuallererst die zuständige Orgelsachverständige gefragt. Dorothea Peppler aus Bad Lauterberg ist eine rundum erfahrene Musikerin und äußerst hilfsbereite zugewandte Persönlichkeit. Sie hat einen großen zu betreuenden Bezirk und ist mehrmals aus ihrer fernen Heimat zu uns nach Wieckenberg gereist, um sich unseres Vorhabens anzunehmen. Das macht sie immer mit Schwung und Eifer, denn es lag schon ganz am Anfang in der Luft: das wird ein ganz besonderes Orgelprojekt.Was ist besonders daran? Wir bauen dort nicht irgendeine Orgel ein, sondern ein Instrument, welches sich dem Stil der Kapelle sowohl kunsthistorisch als auch musikalisch anpasst. Also wird dieses kleine Örgelchen ein wunderschönes Gehäuse mit Flügeltüren bekommen und (und das ist wirklich eine absolute Besonderheit!) es wird Register haben, wie man sie in italienischen Orgeln zu Zeiten der Errichtung der Stechinellikapelle hatte. Also quasi eine neugebaute historische Orgel mit allen Annehmlichkeiten des modernen Orgelbaus, aber nach alten Prinzipien.
So eine Orgel kann nicht jeder Orgelbauer anfertigen. Für die Beantragung eines nicht unerheblichen Zuschusses der Landeskirche müssen drei Angebote eingeholt werden, und es wurden nun also bundesweit drei Orgelbauer gebeten, ihre Ideen und Kostenvoranschläge einzureichen. Parallel dazu wurden das kirchliche Amt für Bau- und Kunstpflege Celle und das Landesdenkmalamt informiert (die sakrale und weltliche Seite müssen beide einverstanden sein!). Es gab mehrere Ortstermine, Bedenken mussten ausgeräumt, Kompromisse geschlossen werden. Letztendlich zeigten aber alle Beteiligten ihre Bereitschaft, dieses besondere Projekt voranbringen zu wollen und wieder lag Pionierstimmung in der Luft, denn immer mehr wurde und wird klar, dass Wieckenberg etwas Außergewöhnliches bekommt.
Inzwischen wurde das Projekt öffentlich bekannt gemacht und erste Spenden gingen ein. Da gab es Zuwendungen aus Geburtstagsfeiern, die Landfrauen zeigten sich generös, anläßlich von Sterbefällen haben Angehörige „statt Blumen“ um eine Spende für die neue Orgel gebeten usw. … rührende Momente. Auch viele Musikbegeisterte aus der Gemeinde haben schon mit ihren Gaben in Kollekten einen Grundstock gelegt, der uns zuversichtlich macht. Aber wir sind ja erst am Anfang.
Es wurde ein Orgelbauer ausgewählt, welcher willens und in der Lage ist, allen Anforderungen gerecht zu werden. Der Kreis der Sachverständigen wurde um Christian Conradi aus Großburgwedel, seines Zeichens Kantor und Organist allda und ein ausgezeichneter Kenner der Musik des 16. und 17. Jhdts., und um Axel LaDeur (Kantor der Kreuzkirche Hannover und Mit-Initiator des Orgelprojekts) erweitert. Details des zu bauenden Instruments wurden festgelegt und schlussendlich hat der Kirchenvorstand der St.-Michael-Kirchengemeinde Wietze, allen voran das Pastorenehepaar Überrück (ohne deren stete Energie wäre das Projekt undenkbar!) alles genehmigt und beschlossen, dass es nun nach drei Jahren Vorüberlegungen losgehen darf.
Und es ging los!
Inzwischen ist das kleine Instrument fertig, es verfügt über sechs Register auf einem Manual, hat ein "italienisches" Pedal mit 12 Tasten (angehängt) und weist einige Besonderheiten auf, die man speziell bei Instrumenten aus Italien und aus Renaissance/Barock kennt: mitteltönige Stimmung, die eine farbige Gestaltung unterschiedlicher Tonarten zulässt, ein Register mit wunderbar schwebendem Klang (Voce umana - die "menschliche Stimme") und selbst ein Vögelchen zwitschert in ihr (Usignolo - die Nachtigall).
Nach nur fünf Jahren (s.o.) konnte dieses herrliche Projekt verwirklicht werden, nicht zuletzt wegen des hohen Spendenaufkommens der eigenen Gemeinde, der Beteiligung der Landeskirche Hannover und dem enormen Zuschuß der LEADER-Region. Wir sagen: HERZLICHEN DANK!
Spendenkonto für die Kirchenmusik in der Stechinelli-Kapelle:
IBAN: DE02 2575 0001 0000 0024 10BIC NOLADE21CEL
(Sparkasse Celle)
Verwendungszweck: Stechinelli-Musik